LIEBESGEDICHTE

 


Theodor Storm

Noch einmal!

Noch einmal fällt in meinen Schoß
die rote Rose Leidenschaft;
noch einmal hab ich schwärmerisch
in Mädchenaugen mich vergafft;
noch einmal legt ein junges Herz
an meines seinen starken Schlag;
noch einmal weht an meine Stirn
ein juniheißer Sommertag.


 

Hermann Hesse

Der Mann von fünfzig Jahren

 

Von der Wiege bis zur Bahre
Sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt, man versauert,
Man verwahrlost, man verbauert
Und zum Teufel gehn die Haare.
Auch die Zähne gehen flöten,
Und statt daß wir mit Entzücken
Junge Mädchen an uns drücken,
Lesen wir ein Buch von Goethen.

Aber einmal noch vor ‘m Ende
Will ich so ein Kind mir fangen,
Augen hell und Locken kraus,
Nehm ’s behutsam in die Hände,
Küsse Mund und Brust und Wangen,
Zieh ihm Rock und Höschen aus.
Nachher dann in Gottes Namen
Soll der Tod mich holen. Amen.

 


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

NÄHE DES GELIEBTEN

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne
O wärst du da!



Else Lasker-Schüler (1869-1945)

EIN LIEBESLIED

Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit deiner Augen Immortellen .....

Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.

Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.



Rose Ausländer (1901-1988)

Der Regenbogen
Sonette

VII

Wir reichen uns der Liebe rote Beeren,
gereift am Glühen unsrer Leidenschaft.
Ich will mit Inbrunst deinen Leib verzehren,
und iß du mich mit aller Liebeskraft.

Nun haben wir Ambrosisches genossen,
und unsrer Seele quoll des Nektars Saft.
Der träge Raum ist unter uns zerflossen
und hält nicht länger uns in seiner Haft.

Du bist mein angetrauter Sterngefährte.
Wir nehmen alles, was uns einst gehörte:
Des Lebens Lust, der Lust Unsterblichkeit.

Wir werden uns unendlich noch genießen
auf Erden und in fernen Paradiesen,
wie wir uns liebten vor Beginn der Zeit.

 



Rose Ausländer (1901-1988)

Des Geliebten Nächte zu entzünden,
will ich augenspendend süß erblinden.

Des Geliebten Atem zu umkosen,
wandelt sich mein Blut in tausend Rosen.

Des Geliebten Liebe zu erhalten,
möcht' ich mich in tausend Frauen spalten,

daß er tausendfach nur mich begehre,
alle liebend nur mir angehöre!



Ricarda Huch (1864-1947)

Der Teufel soll die Sehnsucht holen!
Ich lieg' in einem Bett von Nesseln.
Auf einem Rost von glühnden Kohlen,
In einem Netz von ehrnen Fesseln!
Das Auge sehnt sich aus der Höhle,
Der Busen sehnt sich aus dem Mieder;
Ich wollt', es sehnte auch die Seele
Sich aus dem Leib und käm' nicht wieder!

 


Ricarda Huch (1864-1947)

O welche Lieblichkeit, dir zuzuhören!
Die Worte ruhn auf deiner holden Stimme
Wie Kindertraum auf einer Wiege Flören,
Wie wenn ein Stern in grüner Wolke schwimme,
Wie Perlen auf gebognem Nacken linde,
Wie Wasserlilien wanken auf der Flut,
Wie Veilchenduft auf lauem Frühlingswinde,
Wie wenn ein Kuß auf feuchter Lippe ruht.



Ricarda Huch (1864-1947)

Wenn er auf einmal plötzlich vor mir stände,
O Erd' und Himmel, was begönn' ich nur?
Sein teures Haupt nähm' ich in beide Hände
Und küßte meiner alten Küsse Spur
Auf seinen Augen, Lippen, Haaren, Wangen -
Was hab' ich ohne dich nur angefangen!
Auf seinen Grübchen, Groll- und Lächelfalten -
Wie hab' ich's ohne dich nur ausgehalten!

 


Wilhelm Busch (1832-1908)

Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach

Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach,
So eilt ich dir geschwinde nach.
Und wenn ich dich gefunden hätt'
In deinem Blumenuferbett:
Wie wollt ich mich in dich ergießen
Und ganz mit dir zusammenfließen,
Du vielgeliebtes Mädchen du!
Dann strömten wir bei Nacht und Tage
Vereint in süßem Wellenschlage
Dem Meere zu.



Max Dauthendey (1867-1918)

Juli

Nun ist es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag man nur küssen mag,
Und alle die Rosen, die müssen
Satt duften zu unseren Füßen.

Nun bleibt es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag ich im Himmel lag,
Dort tat man sich paarweise küssen
Und satt lag die Erde zu Füßen.

Nun ist es Sommer Nacht und Tag,
Und Nacht und Tag man nur küssen mag;
Von allen heißen Genüssen
Ist Anfang und Ende das Küssen.

 


Gioconda Belli (geb. 1948)

Liebe von Früchten

 Bedecken will ich
dein Geschlecht mit Äpfeln
Mangonektar
Erdbeerfleisch.

 Dein Körper ist Frucht.

 Umarm ich dich, so rollen Mandarinen
ich küsse dich und alle Trauben
ergießen den heimlichen Wein ihres Herzens
auf meinen Mund.
In deinen Armen spürt meine Zunge
den süßen Saft der Orangen
In deinen Beinen bewahrt der Granatapfel
seinen erregenden Samen.

 Ich will die saftigen Früchte ernten
die im Schweiße deiner Poren reifen:

 Mein Mann aus Pfirsich und Limonen
laß mich trinken aus den Quellen
der Aprikosen, Bananen und Trauben aus Kirsch.

 Dein Körper ist das verlorene Paradies
aus dem mich nie
ein Gott wird vertreiben.



Christian Morgenstern (1871-1914)

Du bist mein Land,
ich deine Flut,
die sehnend dich ummeeret;
Du bist der Strand,
dazu mein Blut
ohn' Ende wiederkehret.

An Dich geschmiegt,
mein Spiegel wiegt
das Licht der tausend Sterne;
und leise rollt
dein Muschelgold
in meine Meergrundferne.



Rainer Maria Rilke (1875-1926)

LIEBES-LIED

WIE soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.



Manfred Ach

KOMM IN ALLER STILLE

Frau, komm Frau, komm zu mir. Ich will dir meine
Hände auflegen, will sanft sein wie Nachtwind.

Sanft. Komm, Gazellenherz, beweg dich zum Takt
der zitternden Flanken, des Atems, der bebt.

Beweg dich und komm zu mir, zum Trommelstock,
der langsam rührt, zum Puls, der flüstert und pocht.

Komm, lass die Trommel singen, lass erklingen
die leisen Schreie in aller Stille. Komm.

.


Hermann Hesse (1877-1962)

LIEBE

Wieder will mein froher Mund begegnen
Deinen Lippen, die mich küssend segnen,
Deine lieben Finger will ich halten
Und in meine Finger spielend falten,
Meinen Blick an deinem dürstend füllen,
Tief mein Haupt in deine Haare hüllen,
Will mit immerwachen jungen Gliedern
Deiner Glieder Regung treu erwidern
Und aus immer neuen Liebesfeuern
Deine Schönheit tausendmal erneuern,
Bis wir ganz gestillt und dankbar beide
Selig wohnen über allem Leide,
Bis wir Tag und Nacht und Heut und Gestern
Wunschlos grüßen als geliebte Schwestern,
Bis wir über allem Tun und Handeln
Als Verklärte ganz im Frieden wandeln.



Erich Fried (1921-1988)

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
 
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
 
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

 

 

 

Erich Fried (1921-1988)

Zum Beispiel

Manches
kann lächerlich sein
zum Beispiel
mein Telefon
zu küssen wenn ich
deine Stimme
in ihm gehört habe

Noch lächerlicher
und trauriger
wäre es
mein Telefon
nicht zu küssen
wenn ich nicht dich
küssen kann

 

 


Erich Fried (1921-1988)

 Ein Versuch

Ich habe versucht
zu versuchen
während ich arbeiten muß
an meine Arbeit zu denken
und nicht an dich
Und ich bin glücklich
daß der Versuch
nicht geglückt ist




Ludwig Uhland (1787-1862)

Seliger Tod

Gestorben war ich
Vor Liebeswonne:
Begraben lag ich
In ihren Armen;
Erwecket ward ich
Von ihren Küssen;
Den Himmel sah ich
In ihren Augen.

 


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

 Ja, die Augen warens, ja, der Mund,
Die mir blickten, die mich küßten.
Hüfte schmal, der Leib so rund,
Wie zu Paradieses Lüsten.
War sie da? Wo ist sie hin?
Ja! sie wars, sie hats gegeben,

Hat gegeben sich im
Fliehn
Und gefesselt all mein Leben.

 


Anna Bachinger

Ich bin der Wind, der Dir das Haar ins Gesicht bläßt,
bin der Sonnenstrahl der Dich wärmt.

Ich bin die Hand, die Dich berührt,
bin der Mund der Dich küsst.

Ich bin das Kind, das Deinen Trost sucht,
bin der Vogel der für Dich singt.

Ich bin der Baum, der Dir Schatten spendet,
bin die Blume die für Dich blüht.

Ich bin Wasser, das deinen Durst stillt,
bin das Leben rund um Dich .

Ich bin LIEBE





   


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